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„Der eigene Anspruch ist das Maß aller Dinge“


(Otmar Stangl, *1959, Dirigent, Komponist, Arrangeur, Gründer, Inhaber und Leiter von „Compovista – music & more“)


bild von otmar stangl

An dieser Stelle könnte ich jetzt über die Etappen meines beruflichen Werdegangs berichten, meine Qualifikationen aufzählen und mich in detaillierter Selbstdarstellung ergehen. Alles unschön und ungut, finde ich. Daher ziehe ich es vor, mich ein wenig „bekannter“ zu machen, indem ich eine kleine Anekdote zum Besten gebe und es der Fantasie des Lesers überlasse, welche Rückschlüsse auf meine Person er daraus zieht.

Im Alter von acht Jahren bekam ich von meinen Eltern zu Weihnachten einen Holzbaukasten geschenkt. Neugierig studierte ich die mitgelieferte Anleitung, aus der hervorging, was man so alles aus den zig Einzelteilen bauen konnte. Nachdem ich die ersten Figuren erfolgreich zusammengesetzt hatte, war absehbar, wann ich mit dem Kasten „durch“ sein und alles Künftige nur noch eine Wiederholung des Vergangenen darstellen würde. Diesen höchst unbefriedigenden Moment vor Augen, ließ ich von meinem Tun ab und wandte mich den Dingen zu, die meine Schwestern geschenkt bekommen hatten: Puppen, Puppenkleider und Puppenwagen. Obwohl sich meine Affinität zu Puppen in überschaubaren Grenzen hielt, sollte der weitere Verlauf des Heiligen Abends zumindest meine soziale Einstellung zu dieser Spezies nachhaltig verändern. Eine meiner Schwestern hatte eine Babypuppe geschenkt bekommen. Die war zwar bestens mit Kleidung und Buggy ausgestattet, doch deren jüngst inthronisierte Mutter lehnte es strikt ab, den ihr anvertrauten Däumling künftig den ganzen Tag nur spazieren zu fahren. „Ein Baby braucht einen Laufstall“, ließ sie verlauten. Das rief mich auf den Plan. Die Große-Bruder-Ehre stand vor einer echten Bewährungsprobe. Ich eilte zu meinem Baukasten und zerriss erst einmal die Anleitung. Dann baute ich aus den für normativ ferngesteuerte Langweiler vorgesehenen Teilen einen Laufstall, der meiner ersten Kundin euphorische Begeisterungsarien entlockte. Die Schachtel meines Baukastens war leer. Aber das war mehr dem eigenen Anspruch, denn der eigentlichen Aufgabenstellung geschuldet. Ich hatte einen Prototyp entwickelt: Laufstall mit Tisch, Stuhl und Bett.

Meine Haltung zu allem, was mit der Bewältigung von Herausforderungen zu tun hat, ist bis heute unverändert. Besonders meine Theaterzeit hat mich nachhaltig darin bestärkt, dass es weniger darauf ankommt, welchen Job man ausübt, sondern mehr darauf, wie man ihn mit seiner Persönlichkeit ausfüllt. Wir Menschen sind Individualisten – also besteht unsere `Mission´ wohl offensichtlich nicht darin, unser Tun starren Normen zu unterwerfen. Der eigene Anspruch ist das Maß aller Dinge, denn er lässt uns lebendig sein!